Die Deutsche Aidshilfe (DAH) fordert mit dem Regierungswechsel einen drogenpolitischen Neuanfang und verweist dabei auf die niederschmetternden Ergebnisse von 40 Jahren Drogenverbotspolitik. Die Zahlen der HIV-Infektionen bei drogengebrauchenden Menschen steigen und der Alternative Drogen- und Suchtbericht von akzept.e.V. skizziert einen Maßnahmenplan, um drogenbedingte Todesfälle zu verhindern.
Ein kurzer Überblick auf ivd-toolkit.de zum Jahresende 2021.
HIV Neuinfektionen bei drogengebrauchenden Menschen steigen
Im Epidemiologischen Bulletin 47/2021 vom 25.11.21 schätzt das RKI die Anzahl der Neuinfektionen bei drogengebrauchenden Menschen in 2020 auf 370. Diese Zahl steigt seit 2010, wenn auch auf niedrigem Niveau, deutlich an. Gleichzeitig berichtet das RKI: „Umfragen bei Drogenhilfeeinrichtungen zeigen, dass eine ausreichende Versorgung von Abhängigen mit sterilen Injektionsutensilien im Sinne einer Harm reduction Strategie finanziell nicht überall ausreichend abgesichert ist.“ Dabei, so das RKI: „Die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung von intravenös Drogenkonsumierenden mit sterilen Injektionsutensilien wäre wahrscheinlich die kosteneffektivste Maßnahme zur Verhinderung von HIV- (und auch Hepatitis-) Neuinfektionen in dieser Personengruppe.“
Hierzu zählt aus Aidshilfesicht auch der flächendeckende niedrigschwellige Zugang zu Spritzen in den Gefängnissen, um auch hier Infektionsketten zu verhindern.
Der Ausbau zielgruppenspezifischer Testangebote ist aus Sicht des RKI erfolgreich.
DAH fordert drogenpolitischen Neuanfang
Den Regierungswechsel auf Bundesebene nimmt die Deutsche Aidshilfe zum Anlass, einen drogenpolitischen Neuanfang zu fordern. Die Bilanz der bisherigen Drogenpolitik, die auf Verbot und Marginalisierung der Konsument*innen setzt, sieht sie als niederschmetternd. Erste Beschlüsse der neuen Koalition wie die legale kontrollierte Freigabe von Cannabis und Angeboten zur Harm Reduction, wie z.B. Drug Checking, sieht sie als Schritt in die richtige Richtung und DAH-Vorstandsmitglied Sven Warminsky fordert: „Diese Maßnahmen müssen nun Auftakt sein für eine neue Drogenpolitik, bei der statt Strafverfolgung und Marginalisierung staatliche Regulierung und Unterstützung für Konsument*innen im Vordergrund stehen.“
Als wichtige Punkte in der Neuausrichtung skizziert die DAH:
Maßnahmen gegen drogenbedingte Todesfälle
Im Jahr 2020 erreichte die Zahl der drogenbedingten Todesfälle in Deutschland einen neuen Höchstwert seit über 20 Jahren: 1.581 Menschen starben in Folge ihres Konsums.
Konkrete Maßnahmen zur Reduktion und Verhinderung dieser Todesfälle schlagen Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, und Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen Aidshilfe in ihrem Artikel im 8. Alternativen Drogen- und Suchtbericht 2021 vor. Die Maßnahmen haben das Ziel konkrete Strategien umzusetzen, mit denen die hohe Zahl der drogenbedingten Todesfälle reduziert werden können.
Hierzu zählen aus ihrer Sicht:
Quellen und vertiefende Infos:
Robert Koch Institut (RKI): Epidemiologischen Bulletin 47/2021 vom 25.11.21
Deutsche Aidshilfe e.V.: „Wir brauchen einen drogenpolitischen Neuanfang!“ vom 24.11.2021
Heino Stöver und Dirk Schäffer: „ Maßnahmenplan für eine nachhaltige Reduktion drogenbedingter Todesfälle in Deutschland“; in: akzept e.V. (Hrsg.): „8. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2021“, S. 99-102
Deutsche Aidshilfe e.V.: „Deutsche Aidshilfe zum HIV-Bericht des RKI: Erfolge ausbauen, Versorgungslücken schließen“ vom 25.11.2021
Deutsche Aidshilfe e.V.: „Drogentodesfälle lassen sich verhindern“ in: „#Aidshilfe 2021“, S.7
Matthias Kuske